Donnerstag, 22. März 2018

Der Mensch - Grenzen überschreitende Hoffnung


Karl M. Woschitz: Homo transcendentalis.
Der Mensch in seiner Symbolfähigkeit zwischen Leiden, Dramatik und Hoffnung.
Festschrift anlässlich des 80. Geburtstags. Hg.: Theresia Heimerl unter Mitarbeit von Sarah Lang.

Theologie im kulturellen Dialog, Bd. 33. Innsbruck-Wien: Tyrolia 2017, 248 S.

--- ISBN 978-3-7022-3656-4 ---
Verlagsinformation und Inhaltsverzeichnis:
https://buchvorstellungen.blogspot.de/2017/12/transzendenz-und-jenseitshoffnung.html

Der Mensch als geschichtliches Wesen lebt im Horizont seiner Begrenztheit. So entstehen Ängste und Visionen, die Sterben, Tod, Weiterleben nach dem Tode, „Seelenwanderung“ und Unsterblichkeitswünsche thematisieren sowie Möglichkeiten von Grenzüberschreitungen auszuloten versuchen. Die Religionen geben unterschiedliche Antworten und Begleitangebote (Totenbücher, Jenseitsführer), um die Endgültigkeit des zeitlichen Todes zu durchbrechen. Die hier anzuzeigende Festschrift gilt Karl Matthäus Woschitz, Religionswissenschaftler an der Universität Graz, dessen wissenschaftliche Schwerpunktarbeit die Herausgeber sehr schön unter dem Stichwort des „homo transcendentalis“ zusammengefasst haben. Natürlich bilden die vorliegenden Texte nur einen Auszug aus dem umfassenden Werk des Jubilars.


Trotz dieser notwendigen Auswahl unternehmen die Lesenden eine Art eschatologischer Reise. Sie  führt vom Alten Orient unter Einbeziehung neutestamentlicher Vorstellungen durch die Mittelmeerkulturen der Antike. Und sie endet mit heutigen existentiellen Fragen und gegenwärtige Aspekten von Leiden und Abgrunderfahrungen, wie dies in der Musik und der Literatur oft intensiv zum Ausdruck kommt.
Der als Einleitung gewählte Beitrag nimmt den Gedanken der Geschichtlichkeit des Menschen besonders auf. In Abgrenzung vom griechischen Denken (Aristoteles und Plato) werden neutestamentliche Auferstehungshoffnungen thematisiert. Der Tod ist damit nicht mehr unausweichliches Verhängnis. Das ermutigt dazu, menschliches Leiden zugunsten einer Humanisierung der Welt anzugehen. Das Ziel ist jedoch „transzendent“, als absolute Zukunft, in der Gott alles in allem ist (1. Kor 15,28).
Die beiden folgenden Aufsätze behandeln mit dem beispielhaften Schwerpunkt des Osiris-Mythos die Todes- und Jenseitsvorstellungen im Alten Ägypten. Ihnen an die Seite gestellt ist die griechische Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele. Diese „Lebensvorstellungen“ kommen ohne apokalyptisches Gedankengut aus, vielmehr ist alles in den kosmisch-zyklischen Wanderungsprozess der Sonne eingebunden.
Die griechische Lebensvorstellung spiegelt Woschitz an Sokrates und Paulus, die sie beide im Gefängnis angesichts des (möglichen) Todes realisieren: Sokrates „weiß“, dass der Seele das Leben innewohnt, während Paulus auf Hoffnung hin glaubt, zum Leben errettet zu werden.
Mit der Frage „Tod und was dann?“ stellt Woschitz moderne und antike Dichter sowie Philosophen im Horizont ihrer Jenseitshoffnungen vor, u.a.: Ovid, ägyptisches Totenbuch, Rilke, Heidegger, Wittgenstein. Gegen den griechischen Leib-Seele Dualismus setzt er die Aussagen des Alten und Neuen Testaments. Der Mensch in seiner Ganzheitlichkeit ist auf Gott hin angelegt. Von daher deutet er auch die Begriffe Himmel, Hölle, Totenreich, um so die Auferstehung als menschliche Vollendung zu verstehen.
Eine wichtige Rolle spielen für Woschitz offensichtlich Texte aus der Offenbarung des Johannes. Zwei Abschnitte werden hier ausführlicher interpretiert: Offenbarung 12,10-12 als eschatologisches Siegeslied über alles Satanische und Offenbarung 13 als religiöse Ideologiekritik gegen den Anspruch des damaligen Kaisers Nero. Die Apokalypse kann für heute Bedeutung gewinnen, weil hier die Abwehr jeglicher totalitaristischer Vergötzung von Menschen thematisiert wird.
Eine philosophische Auseinandersetzung im Horizont des Redens von Gott konkretisiert Woschitz an Friedrich Nietzsche „Also sprach Zarathustra“, um von dort zur G.F. Hegel, die Linkshegelianer und schließlich zu Wittgenstein, G.E. Moore, B. Russel, Max Horkheimer und Hans Jonas zu kommen. Angesichts der Unmöglichkeit, Wirklichkeit zu messen, hat die Frage nach Gott durchaus ihre Berechtigung, „weil der Mensch der Schnittpunkt ist, von Faktizität und Transzendenz“ (S. 133).
Mit der Bedeutung der Passion als Hoffnungssymbol setzt sich der Autor angesichts der Erfahrung menschlicher Abgründe auseinander. Auf der Basis biblischer Texte und im Gespräch u.a. mit Goethes Faust und Hölderlins Hyperion zeigt er die „bessere Hoffnung“ im Hebräerbrief (7,19). Von dort führt ihn der Weg über die Passionsverständnisse der synoptischen Evangelien schließlich zum Johannesevangelium. Dort signalisiert die Erhöhung zum Kreuz bereits die ewige Herrlichkeit. Der „Ecce Homo“ des Karfreitags ist zugleich der wahrhaft menschlich Liebende.
Geradezu ein Universum von Sinn-Zusammenhängen des Menschseins tut sich auf, wenn der Begriff „Logos“ und seine Geschichte von den frühen griechischen Zeugnissen bis zum Neuen Testament ins Spiel kommt. Wichtig werden besonders die Aussagen des Hebräerbriefs über die Kraft des Wortes und der göttlichen Gnadenerweisung.
Eine Wesensbestimmung des Menschseins stellt auch das gnostische Lehrgebäude des Mani (3. Jh. n. Chr.) dar, dem Begründer des Manichäismus.  In dieser Konzeption hat die Erkenntnis dem Glauben gegenüber Priorität. Diese religiöse Denkrichtung drohte damals durchaus zu einer ernsthaften Konkurrenz für das Christentum zu werden, wie das dualistische Denken Augustins noch erahnen lässt. Damit der Mensch aus dem Kerker zum Licht geführt werden kann, muss das gute Prinzip gegenüber dem bösen siegen. Dazu begeben sich göttliche Gesandte auf die Erde damit der in der Dunkelheit im Todesschlaf gefangene Mensch der Macht des Gottes der Finsternis entrissen wird und zur Erleuchtung kommt. Manis Religion ermöglicht durch die „Manifestation des Licht-Nous“, diesen Weg zum Heil zu gehen. Durch eine Versiegelung kann auch das Böse nicht mehr in den Menschen eindringen.
Solche streng dualistische Soteriologie hat im Mittelmeerraum immer wieder nachfolgende Bewegungen hervorgebracht, die man unter dem Namen der Katharer, der Reinen, zusammenfasst und die in der okzitanischen Bewegung der mittelalterlichen Katharer noch einmal eine bedeutende Rolle spielten.
Ausführlich bedenkt Woschitz die Abgründe des Leidens, die bis in die Negation Gottes führen können. Das kommt am deutlichsten angesichts von sinnlosem Leiden ins Blickfeld. Dieses verbindet sich mit der Erfahrung der Unerlöstheit. Darauf machen die indischen Religionen besonders aufmerksam. In seiner “Registratur“ von Antwortversuchen und Antworttypen bezieht sich der Autor auf Hesiod, Empedokles und Platon. Dann kommt er auf die indische Mystik, den Buddhismus und den Taoismus zu sprechen. Der Buddhismus rückt das Leidensproblem besonders in den Mittelpunk; der Hinduismus geht von einer unheilvollen Gesamtsituation aus.  Bei der Darstellung des Zoroastrismus kommt wiederum ein extremer Dualismus zur Sprache. Hier gibt es entwicklungsgeschichtliche Linien in die Gnosis und in den Manichäismus. Abschließend geht Woschitz auf die existentialistische Weltangst ein, der er biblische Motive gegenüberstellt. Diese konkretisierte er an Äußerungen Bubers. Mit  1.Kor 15 gibt er dann ein ermutigendes Signal über den Sinn des Leidens.
Der letzte Beitrag im Buch ist der Entwurf einer Theologie des Festes. Dazu stellt der Verfasser zuerst einige Theorien des Festes vor: Emile Durkheim, Roger Caillois, Sigmund Freud, Karl Kerényi, Harvey Cox. Natürlich spielt Woschitz auch wieder die griechische Mythologie zum Thema ein, um schließlich eine biblische Grundlegung des Festes anzubieten. Sie beruht auf der Schöpfungsgeschichte. Dort ruhte Gott am siebten Tage. Die Festzeit und Ruhezeit erinnern daran, dass weder Arbeit und Leistung noch die drohende Leere in der Freizeitgesellschaft letztlich Sinn geben, sondern die Hoffnung auf das ewige Fest, wie dies in Offbg. 21,1-7 beschrieben wird.
Bilanz: Die vorliegende Festschrift mit den Beiträgen des Jubilars spricht eine Fülle des Menschlichen im Horizont seiner irdischen Begrenzung an. Die Themen bewegen sich zwischen unterschiedlichen Aspekten des Leidens und möglicher transzendenter Hoffnungen. Immer wieder zieht der Autor religionsgeschichtliche Zusammenhänge heran, um dann letztlich die christliche Hoffnung über den Tod hinaus zu betonen. Der Titel des Bandes „homo transcendentalis“ benennt also ausgesprochen präzise das vielfältige menschliche „Geworfensein“ zwischen Jetzt und Dann, zwischen scheinbarer Sinnlosigkeit und endgültigem Sinn.
Reinhard Kirste

Rz-Woschitz- Transzendenz, 22.03.2018 



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