Samstag, 11. Februar 2017

Wieder im Blick: Die Bibel und andere Glaubensweisen

S. Wesley Ariarajah: Die Bibel und die Andersgläubigen. Aus dem Englischen von Ulrike Berger.
Frankfurt/M.: Lembeck 1994, 110 S.
--- ISBN 3-87476-300-5 ---
Englische Originalausgabe: 
The Bibel and People of Other Faiths.
Geneva: World Council of Churches (WCC) 1985, 71 S.
--- ISBN 2-8254-0840-9 ---
Vgl auch im Sinne eines Fortsetzungstitels:
Not Without My Neighbour.
Issues in Interfaith Relations
.
RISK Book Series.
Geneva: WCC 1999, 130 pp.
--- ISBN 2-8254-1308-9 ---
 

Das Buch „Die Bibel und die Andersgläubigen / The Bible and the People of Other Faiths“ des aus Sri Lanka stammenden Professors für Ökumenische Theologie S. Wesley Ariarajah zeigt auf, dass der Dialog mit Andersgläubigen auch von der Bibel her zu befürworten ist. 

Der Autor verfasste das Buch zum einen in Bezug auf die gegenwärtige Situation, in der verschiedene religiöse Traditionen immer präsenter werden, zum anderen auf Grund der speziellen Bitte der asiatisch-pazifischen Sektion des christlichen Studentenweltbundes. Denn der Dialog in (Süd-)Ostasien bildet viel stärker als in Europa einen Wesensteil persönlicher religiöser Existenz.
Die Kernfrage, die im gesamten Buch thematisiert wird, lautet, ob es einen Gott oder viele Götter gibt und wenn Letzteres zutrifft, ob diese wählbar sind.
Da es bereits viele Ansätze gibt, wie man in den Dialog mit Andersgläubigen treten kann, ohne dabei die Verwurzelung im eigenen Glauben aufzugeben, widmet sich der Autor bewusst einer komplexen Facette des Themas: Er beschäftigt sich damit, was für eine Rolle die Bibel bezüglich des interreligiösen Dialogs spielt, indem er sich auf diese als Grundlage bezieht, statt die Diskussion wie viele andere an ihr vorbei zu führen. So beabsichtigt er, eine neue Perspektive für den Dialog aufzuzeigen, die einen Gegenpol zu der weit verbreiteten Argumentation von Kritikern bildet, die Bibel als Beleg eines exklusiven Verständnisses zu sehen.
Er betont, dass es ihm lediglich darum geht, neue Wege zu gegenseitigem Verständnis zu eröffnen, statt zu beweisen, dass der interreligiöse Dialog biblisch ist. Seine Ausführungen orientieren sich an den Bibelwissenschaften, indem er vor allem historisch-kritisch mit der Bibel und deren Auslegung umgeht. Gleichzeitig bemüht er sich, alle Aspekte bekennend statt dogmatisch darzulegen. Er richtet sich gezielt an alle Christen im Zusammanhang religiöser Vielfalt. Das geht nicht nur Fachleute an.
Nach dem Vorwort und der Einführung, in denen er diese Absichten und Ziele des Buches darlegt,
folgen 7 Kapitel:
  1. „Kein anderer Gott“
  2. „Zwei Erfahrungen“
  3. „Jesus, der einzige Weg?“
  4. „Biblische Gründe für den Dialog“
  5. „Zeugnis und Dialog“
  6. „Bekenntnis im Dialog“
  7. „Ansätze einer dialogischen Theologie“

Hier führt jeweils bestimmte Bibelstellen an, die seiner Argumentation für den Dialog dienen, wobei er diese stets in die Lehrzusammenhänge der gesamten Bibel stellt und nicht isoliert oder absolut betrachtet.
Allem voran betont er seine Auffassung der Bibel als Glaubenszeugnis aus der persönlichen Sicht der jeweiligen Gläubigen, weshalb andere Religionen ebenfalls nur aus dieser Sicht erwähnt werden.
Zunächst bezieht sich der Autor auf die Schöpfungsgeschichte, welche zum Ausdruck bringt, dass es sich um einen einzigen Gott handelt, der Schöpfer aller Menschen ist. Die Genesis benennt Adam als Prototyp des Menschen an sich. Es geht um die Menschheitsfamilie als solche und nicht nur um Christen; daher ist auch die Rede von einem universalen Bund. Erst ab Genesis 12 geht es speziell um das Volk Israel. Das betrifft die Perspektive auf sich selbst und andere sowie die jeweiligen religiösen Überzeugungen.    
Wenn sich also Israel oder auch ein anderes Volk bzw. eine andere Gruppe usw. als das von Gott erwählte Volk bezeichnet, handelt es sich laut Ariarajah somit lediglich um deren eigenes Selbstverständnis. Dieses Selbstverständnis ist weder objektiv beweisbar oder widerlegbar, noch hat es, außerhalb der betreffenden Gruppe, eine Bedeutung für Andere. Es darf darum auch nicht als Kommentar über Gottes Beziehung zu Anderen gewertet werden. Die Bibel ist Dokument eben dieses Selbstverständnisses, wobei sie von außen betrachtet demnach nur subjektive Erfahrungen beinhaltet.
Nach der Bibel handelt es sich nach der Autor also um einen Gott als Schöpfer aller Völker, der aus verschiedenen Perspektiven wahrgenommen und erlebt wird. Würden Christen dies verleugnen, sind sie nach seiner Lesart in der Konsequenz Polytheisten. Eine Erwählungslehre bzw. das damit zusammenhängende Selbstverständnis eines Volkes kann demnach nur gelten, wenn zum einen von Gott als Schöpfer aller Menschen ausgegangen wird und es sich zum anderen immer nur um eine selbst bezogene und damit nicht für Andere geltende Aussage handelt.
Ein Missverständnis ist es nach Ariarajah jedoch zu denken, alle Religionen seien dieselben, da sich die jeweiligen religiösen Vorstellungen voneinander unterscheiden und somit nicht gleichermaßen wahr sein können. Vielmehr besitzen sie für die jeweiligen Gläubigen eine eigene Wahrheit. Christen sollten Gott also nicht für sich allein beanspruchen, da ein Dialog nur dann entstehen kann, wenn vom biblischen Glauben her ein für alle wirkender Schöpfers zur Grundlage wird.
Diese aus Genesis resultierenden Lehren für das Verhältnis zu Andersgläubigen führt der Autor anschließend immer wieder als Basis innerhalb seines ganzen Buches an.
Nun beschäftigt sich ein Großteil des Buches mit der Rolle von Jesus Christus, der in der Bibel als einziger Weg, als einziger Erlöser und als einziger Mittler dargestellt wird. Der Autor bezieht sich auf diesen Aspekt, indem er bekräftigt, dass es sich bei den genannten absolut erscheinenden Ansprüchen lediglich um persönliche Glaubensaussagen handelt, die nicht im Sinne einer objektiven Wahrheit zu verstehen sind, die für alle gleichermaßen gültig ist.
Schließlich betont Ariarajah, dass der Mensch die absolute Wahrheit schlichtweg nicht erfassen kann. Exklusivansprüche in diesem Sinne würden daher zu Entfremdungen führen. Vielmehr versteht er als Theologe unter einem fruchtbaren Dialog, dass man sich zu seinem Glauben bekennen sollte, jedoch ohne Andere zum eigenen Glauben zu bekehren, also zu missionieren. Dieser Dialog sollte durchaus auch kritische Wahrnehmung des eigenen Glaubens und des Glaubens der Anderen beinhalten. Der Autor zeigt mit seinem Buch, dass diese Art des Dialoges von der Bibel her zu begründen ist:          
  • Zum einen, weil die Bibel inhaltlich nicht nur wertende und abgrenzende Aspekte betont,
    sondern auch zum Dialog aufruft.       
  • Zum anderen weil die Bibel selbst nicht als statisches Gesetzbuch,
    sondern als lebendiges Wort zu verstehen ist,
    das in einer dialektischen Beziehung zum Leser steht. 

Das bedeutet, dass auch der eigene Glaube nur in der ehrlichen Kommunikation auf gleicher Ebene mit dem Anderen Frieden stiftend wirken kann. Nur so können auch Menschen verschiedener Religionen in versöhnter Nachbarschaft zusammenleben.

Weitere Titel von S. Wesley Ariarajah:

Larissa Behrensmeyer, Stella Dietrich, Lara Eileen Lange
im Rahmen des Seminars:
Interreligiöses Lernen mit Heiligen Schriften
und Erzählungen aus dem Weltreligionen
(TU-Dortmund, WiSe 2016/2017)

Rz-Ariarajah-Bibel, 08.02.2017 



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