Mittwoch, 15. Juni 2016

Brüderlichkeit als Erbe - Die Geschichte des Alawiyya-Ordens


Cheikh Khaled Bentounes (avec Bruno Solt):
La Fraternité en Héritage.
Histoire d’une confrérie soufie
Paris: Albin Michel 2009, 136 S.
 --- ISBN: 978-2-226 -19112-0 --- 

Brüderlichkeit als Erbe

 Die Geschichte einer Sufi-Bruderschaft 


Die Autoren sind Cheikh Khaled Bentounès, der spirituelle Lehrmeister des Alawiyya- Ordens  in  Zusammenarbeit mit Bruno Solt, Religionswissenschaftler, Schriftsteller und Dozent in der Provence.

Inhalt: Cheikh  Khaled Bentounès berichtet von dem geistigen Erbe, dem Vermächtnis seiner Vorväter als spiritueller Meister des Alawiyya-Ordens. Er erzählt seine Biografie und  seine Familiengeschichte mit den Kriegswirren in Algerien seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Er schildert die Schwierigkeiten der Muslime in Nordafrika,  die Repressalien durch die Regierungen sowie die Diffamierungen in der Presse. Die Vorfahren sind Patrioten und setzen sich für die Befreiung Algeriens ein. Die OAS (Organisation der geheimen Armee) und die FLN (Nationale Befreiungsfront)  kämpfen im Bürgerkrieg (1954-1962) bis zur Unabhängigkeitserklärung durch General Charles De Gaulle. Khaled Bentounès ist an diesem Tag 13 Jahre alt. 

Autor: Scheich Khaled Bentounès ist 1949 im algerischen Mostaganem  geboren. Er wird nach dem Tode seines Vaters vom Rat der Weisen zum Nachfolger und neuen spirituellen Lehrmeister des Alawiyya-Ordens gewählt. Er ist heute als einer der bedeutendsten Persönlichkeiten des Sufismus anzusehen. Er vertritt ist vor allem das Erbe einer geistigen Bewegung, deren Wurzeln auf die großen Mystiker des Mittelalters zurückgehen. Er gilt als Mann des Friedens, der Moderne und des internationalen Dialogs mit anderen Religionen. Er hat zahlreiche Werke über den Islam und den Sufismus geschrieben.

Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist ihm ein großes Anliegen. Er gehört dem Weltkongress der Rabbiner und Imame an und hat mehrere interreligiös orientierte Vereine in Nordafrika und Europa gegründet.

1975 wird er als Nachfolger seiner Ahnen zum spirituellen Lehrmeister
des Alawiyya-Ordens gewählt.
Scheich Khaled Bentounes
(Foto: AISA)


1978 gründet Scheich Bentounès das  erste Institut,  in dem auch der Koran digitalisiert wurde.

1986 reist er nach Assisi und besucht Papst Johannes Paul II.  
           
1988 trifft er den Dalai Lama in Savoyen, um mit ihm den spirituellen Weg der Alawiyya im Gegenüber zum Buddhismus anzusprechen.

1989 wird er von Papst Johannes Paul II empfangen. Er erhält eine christliche Bibel (hebräische Version der Universität Bar Ilan 1967). Das Institut erarbeitet ein Programm, in dem die verschiedenen Bibelübersetzungen  zusammengefasst werden konnten.

1989 nimmt er auch an der 50 jährigen Zeremonie des Gedenkens
an die Opfer des 2. Weltkrieges teil.

1991 gründet er in Frankreich die muslimischen Pfadfinder (SMF).
In Deutschland wird er Ehrenpräsident der muslimischen Pfadfinder.

2000 ist er Initiator für das Kolloquium „Für einen Islam des Friedens“ bei der UNESCO.

2001 gründet er die Vereinigung AISA ( = Internationale Association Sufi Alawiyya).

2002 referiert er bei der UNESCO Konferenz zum Thema
“Mystische Tradition und interreligiöser Dialog“.

2003 gründet er den französischen Zentralrat der Muslime (CFCM).
Sarkozy war zu dieser Zeit Innenminister.

2007 erhält er in Paris den Ball des Friedens, eine Auszeichnung, 
die u.a. auch Nelson Mandela erhielt.

2010 Konferenz in Genf zur Darstellung des spirituellen Islams.

2010 Verleihung des Tschelebi-Friedenspreises in Werl,
ein Preis für den interreligiösen Dialog zwischen Muslimen, Christen und Juden.   
                                                           
2012 Die AISA gründet die globale Mobilisierungskampagne  für die Vereinten Nationen (INGO-Internationale Nicht-Regierungsorganiastion) für ein Zusammenleben der Völker in Frieden und gegenseitigem Respekt.

2014 Eröffnung des Weltkongresses für Frauen in Oran (Algerien) Bei der Eröffnungsrede legt er eine Petition für die  UNO vor. Er ruft  alle Menschen, die  guten Willens sind, unabhängig vom Geschlecht, Rasse, Nationalität, ethnischer Herkunft, Kultur und Religion  auf, gemeinsam die Welt zu verändern: Eine Welt, deren Grundlage auf einem spirituellen und humanistischen  Erbe beruht, eine Welt der Brüderlichkeit, die die Menschenwürde achtet  und Versöhnung zwischen den Völkern bringt. (Die Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel nimmt ebenfalls an diesem Kongress teil.)

2015 organisiert die NGO AISA ein internationales Kolloquium in Paris im UNESCO Gebäude anlässlich des 100 jährigen Jubiläums seit der Gründung des Alawiyya-Sufi-Ordens. 


Kindheit, Jugend, Studium: Khaled Bentounès verbringt seine Kindheit  am Ordenssitz seines Urgroßvaters Ahmad al-Alawî (1869-1934), Gründer des modernen Sufi-Ordens  (1911) der Alawiyya in  Mostaganem. Bis zum 5. Lebensjahr erziehen ihn seine Mutter, Großmutter und Stiefmutter, die französisch spricht. Ab dem 4. Lebensjahr besucht er die Koranschule, erhält Musikunterricht und wird 2 Jahre von spirituellen Lehrmeistern ausgebildet.
Seine Spiritualität wird geschult durch Übungen. Jeden Donnerstagabend findet ein Treffen mit theologischen Diskursen und Debatten statt. 
Er hat schon als Kind Erscheinungen vom Propheten Mohammed.
Seine göttliche Aufgabe ist es, die Größe seiner Spiritualität zu beweisen.
 
Er lernt die Koranverse des Tages auswendig und spricht sie dem Vater vor. Khaled stellt Fragen, und der Vater antwortet geduldig, indem er den göttlichen Willen erklärt. Sein Vater lehrt ihn die Entwicklung der Welt und spricht über den Kommunismus, das Leben und die Philosophie. Auf dem göttlichen Weg ist der Stolz der größte Feind.  Freiheit und Verantwortung sind seine wichtigsten Worte.
Das Heranwachsen der Jugendlichen wird dokumentiert mit der Verleihung der Gürtel:

1. Grad: Baumwollgürtel  (Reinheit, Zerbrechlichkeit des Wesens in Zukunft)
2. Grad: Ledergürtel (Härte, Widerstand, und Weichheit, Wille, das Böse zu bekämpfen)
3. Grad: Gürtel aus Wolle (Reife, Weisheit).

Das Wort „Suf“ bedeutet wahrscheinlich Wolle (Sufismus)
und bezieht sich auf die einfachen Wollgewänder der "Sufis".

Es soll der ritterliche Geist „Futuwwa“ vermittelt werden. Diese Werte und Tugenden  sind der Ursprung vor dem Durchbruch des Islam im Sinne der Verteidigung der Schwachen, der Gastfreundschaft und des Friedens.

Der junge Bentounes  begreift immer mehr, wie wichtig es ist, den Koran zu lesen.
Der spirituelle Weg „Tarîqa Alâwiyya“ der Sufi Bruderschaft wurde ihm aufgezeigt von vielen strengen aber milden Erben eines tausendjährigen Geistes.
Er  beinhaltet das kostbare Gedenken, um es Generationen von morgen zu vermitteln.

1967 wird er in den Orden aufgenommen, und die Einführung mit einem Paten vorgenommen.  

1969 wird sein Vater Hadj al-Mahdi bei einem religiösen Fest (Mawlid), die Feier der Geburt des Propheten von der Militärregierung verhaftet und kommt ins Gefängnis. Die Besucher der Koranschule werden registriert. Khaled wird nach Paris geschickt -  in die dortige Alawiyya Bruderschaft. Er beginnt das Studium der Rechtswissenschaften und Geschichte und setzt es in Oxford und Cambridge  fort.

1972 geht er als Geschäftsmann wieder nach Paris. Dort lernt er seine Frau Evelyn, eine Katholikin kennen und lieben. Sie heiraten.

1973 bekommen sie eine Tochter Sophie. Indem er hier ein Tabu brach, ebnete er dem spirituellen Weg  eine Bahn zum Okzident und anderen Feldern.

1975 stirbt sein Vater Hady-al Mahdi (*1928). Der Rat der Weisen setzt sich zusammen. Sie bestimmen die Nachfolge des Meisters und wählen Khaled Bentounès  zum neuen spirituellen Meister, der die Bruderschaft Alawiyya  leiten soll.

Der spirituelle Lehrmeister:
Kahled Bentounès hadert mit diesem Entschluss, aber nach und nach wird ihm klar, dass er seinem Schicksal nicht entkommen kann. Er kehrt nach Algerien zurück und stellt sich seiner Verantwortung. Für seine Frau Evelyn und seine Tochter Sophie kauft er ein Haus in Südfrankreich als Domizil.
Er übernimmt die Regelung des Nachlasses, macht Inventur der Güter und ordnet das Bildarchiv und sorgt für die Bewohner des Ordenssitzes. Alle seine Entscheidungen stimmt er mit den Weisen ab.
Die Bruderschaft gewinnt an Form und Kraft. Langsam weicht die Sorge, und er findet Mitgefühl und Frieden.
Er entdeckt den Weg der Sufis, die Sufi-Tradition (Tarîqa ‘Alâwiyya), getragen von Intuition und Vernunft, den spirituellen Weg, die Subtilität des Mysteriums. Dieser Erkenntnisprozess wird durch seine Reisen und andere Traditionen aus Europa, Indien, Südamerika, Japan verstärkt. Unter anderem spricht er auch mit den Tuareg, den Männern der Wüste.

„Wenn Sie Gott nicht zwischen den Menschen finden, finden sie ihn nirgends.“

„Fragen Sie nicht jemanden nach seiner Religion, sondern welche Wahrheit er sucht.“
„Trifft man  gebildete Juden, Christen oder Moslems, so unterscheidet sie nichts, wenn sie Verse zitieren, so dass Freundschaft, Brüderlichkeit und Liebe gestärkt werden.“  

2009 sagt er ohne zu zögern: „ Ich bin immer noch ein Mensch wie die anderen, aber es ist in mir ein Licht angezündet, das sich jeden Moment verstärken kann. Ich schätze es als Notwendigkeit ein, die Tradition des spirituellen Wegs (Tarîqua) ohne Umschweife ins Moderne zu übertragen“.
  
 „Der Mensch hat eine Kraft der Seele! Wenn er sich ans Universum wendet, wird er es anziehen.  Das heißt, wenn Du es wünschst, kannst Du es!“   
                                                                             
 ---------------------------------------------------------------------------------------------------
Quellenangaben
  • Dr. Marcel Carret<Dans l‘intimité du Cheik al-‘Alâwî> id. P.11-12
  • http://aisa.de index.php/cheikh-khald-bentounes 
  • http//aisa-net.com/la_voie_soufie_alawiyya/cheik-khaled-bentounes 
  • http//de.wikipedia.org.wiki/Ahmad_al-Alawi Stand 8.Mai 2016
  • Mostaganem,Alawiyya: you Tube 25.04.2016; Archives de la Zawiyya Alawiyya de Mostaganem
  • http://aisa.de/index.php?view=article &catid=6: ankündigungen… 
  • https:/eric rossacademic.worldpress.com2011/03/alawiyya http.dw.com/de/der Mystische Islam-in Deutschland/ a-151092016
  • www. youtube.com/watch?vF36qpFWRbI
Waltraud Janisch-Sassen 


 im Rahmen des Seminars: Interreligiöse Horizonte:
Mystische Strömungen im Christentum und im Islam – TU-Dortmund




Rz-Bentounès-Fraternité - 15.06.2016


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen