Mittwoch, 7. Dezember 2016

Konfuzianismus verstehen - Einblicke in den Buddhismus (aktualisiert)



Volker Zotz: Der Konfuzianismus.
Wiesbaden: Marix 2015, 224 S.
--- ISBN 978-3-7374-0975-9 ---

Kurzrezension: hier


Ausführliche Besprechung

Im Jahr 2000 hatte der Autor bereits eine Biografie zu Konfuzius herausgebracht (Rowohlt-Verlag). Nun veröffentlichte der Marix-Verlag eine neue eigenständige und wirkungsgeschichtliche Darstellung. Dies kann man nur begrüßen, weil der Philosoph und Kulturwissenschaftler Volker Zotz (geb. 1956) zu den Spezialisten für Buddhismus und Konfuzianismus gehört. Durch längere Studien- und Forschungsaufenthalten, besonders in Indien und Japan, hat er als Initiator des Projektes „Eurasischer Humanismus und Interkulturelle Spiritualität“ neue Zugänge zu den asiatischen Religionen eröffnet. Er lehrt seit 1999 an der Universität Luxemburg.

Begriffe für einzelne Religionen und Weltanschauungen bergen immer die Problematik einer eingeschränkten Sichtweise in sich. Darauf macht Zotz in seiner Einführung aufmerksam, weil auch der Ausdruck „Konfuzianismus“ eine europäische Erfindung ist. Von daher muss man fragen, ob der Konfuzianismus im Sinne westlicher Denkweisen überhaupt eine Religion, Philosophie oder eher eine Lebensanschauung ist. Ähnliches hatte der Autor auch im Blick auf den Buddhismus schon angemerkt.
Er hält darum im Sinne einer Verständigungsebene fest: “Über das in China Rujia und Rujiao Genannte schließt der Sammelbegriff [Konfuzianismus] hier ein, was sich während zweieinhalb Jahrtausenden in China, Japan und anderen Regionen auf Konfuzius bezog“ (S. 24). In der Darstellung dieser chinesischen Denk- und Lebensweisen betont Zotz, dass Kongzi, in latinisierter Form Konfuzius, vermutlich ca. 551–479 v.Chr. lebte. Er verstand sich nicht als Philosoph, sondern als ein Lehrer, der Werte und Normen vermittelte. Diese mussten sich besonders im öffentlichen wie privaten Leben bewähren: Nächstenliebe, Gewissenhaftigkeit, aber auch in Ehrerbietung gegenüber dem hierarchisch organisierten Staat und ihren Vertretern. Seine Lehrsätze, die die kosmische Harmonie wiederspiegeln, sind überhaupt nicht spekulativ, sondern immer lebenspraktisch ausgerichtet. Sie wurden zum Maßstab für das moralische Verhalten des Einzelnen, aber ebenso für kulturelle und staatliche Ausprägungen in ganz Ostasien.


In
9 Kapiteln unternimmt der Autor nun eine Reise zur Wirkungsgeschichte dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit: Er beginnt mit dem Versuch, trotz unsicherer Quellenlage das Leben und Wirken des Konfuzius mit seinen Höhen und Tiefen zu verdeutlichen: Der Weg vom Beamten zum Lehrer und Politiker. So bleibt erst einmal die Frage offen: „Konfuzius, der geniale Schöpfer einer ganzen Kultur oder der banale Schwätzer ohne außergewöhnliche Aussage, für den ihn Kant und Hegel hielten?“ (S. 50). Das nötigt den Autor die sechs kanonischen Werke, die dem Konfuzius zugeschrieben werden, genauer zu untersuchen:
Die Gedichtsammlung, das Buch der Lieder, das aus historischen Dokumenten bestehende Buch der Urkunden, die Verhaltensregeln im Buch der Riten, das Buch der Musik, das Buch der Wandlungen, ein Orakeltext, und schließlich Frühling und Herbst, eine Art Geschichtsbuch (S. 53–81).


Alle diese Texte verdeutlichen die durch die Konfuzianer weitergeführte Tradition und die Übernahme der in ihr enthaltenen Werte und Normen sowie die Wertschätzung von Sitten. Der korrekte Verhaltensweg begründet die Harmonie der Familie, die Harmonie der Familien ermöglicht dem Dorf Harmonie. Diese erweitert sich dadurch auf die Provinz und schließlich auf das gesamte Reich. Wenn alle Reiche in harmonischer Beziehung sind, dann gilt dies auch für den Kosmos. Daraus folgt, dass ein jeder das Wohl des Staates beachten und sich darum kümmern muss. Dies begünstigte und machte auch den Konfuzianismus als Staatsdoktrin ausgesprochen attraktiv. Insofern muss man fragen, ob die konfuzianische Doktrin letztlich nicht die Haltung des Menschen als Untertan moralisch absicherte. Aber es geht bei aller Harmonie-Orientierung um das Mensch(lich)sein im Sinne der Goldenen Regel.
Immerhin: „Die Menschen sollten subjektiv erkennen, weshalb es gut und richtig war, sich an den überlieferten Werten zu orientieren“ (S. 90). Herrschaft ist darum immer unter moralischen Bedingungen zu sehen und Fürsten wie „Edle“, also die Aristokraten, haben sich den ethischen Maßstäben zu unterwerfen, sonst schuldet man ihnen keinen Gehorsam. 


Sprache hat in diesem Zusammenhang eine klärende Funktion, die sich auf das Wesentliche beschränkt. Was hier nach ausgesprochener Diesseitsbetonung klingt, bedeutet aber nicht, dass der Glaube an Götter und Geister abgelehnt wird. Auch Ahnenverehrung und Opferriten sollten weiter Bestand haben. Sterben, Tod, Trauer im Zusammenhang des Ahnenkults ermöglichen in ihrer auf Vervollkommnung ausgerichteten Form zugleich eine Veredelung des Handelns im Alltag (S. 172).


Zotz fasst diese Überlegungen mit dem bedeutendsten Nachfolger des Konfuzius, Menzius, zusammen: „Konfuzius war ein Mensch, der die Extreme mied“ (M VIII,10, aaO S. 110). Wir erleben also die „Genialität der Beschränkung“ bei Konfuzius (S. 113ff), die seine Nachfolger entsprechend interpretierten: Zisi (ca. 481–402 v. Chr.), der schon genannte Menzius (ca. 370 – 290 v. Chr.), Xunzi (ca. 312–230 v. Chr.), Zhu Xi (1130-1200 n. Chr.), Lu Jiuyuan (1139–1192). Von Anfang an sah sich der Konfuzianismus mit teilweise scharfen Kritikern aus dem eigenen Lager konfrontiert. Sie beklagten besonders Einschränkungen der Freiheit im konfuzianisch geprägten Staatssystem oder die zu hohe Wertschätzung von Familienstrukturen, z.B. Mozi (ca. 470–391 v. Chr.), Zhuang Zhou (ca. 369–286 v. Chr.) oder Yang Zhu (40–360 v.Chr.).

Schon sehr früh wurde aber noch deutlicher, dass schon Laotse und damit der Daoismus/Taoismus in erheblicher Spannung zu konfuzianischem Gedankengut stand und übrigens bis heute steht.
Dennoch: Der Siegeszug des Konfuzianismus – besonders was dessen Staats- und Weltverständnis betrifft, ist unübersehbar bis in die Moderne hinein und zugleich eine Herausforderung und Anfrage an den Westen.
Die Gründe liegen im Gedanken der Selbstüberwindung und der „Bezogenheit aller aufeinander, des Menschlichseins im Rückkehren zu den Gepflogenheiten eines keinem Zweck unterworfenen Daseins in sozialer Geborgenheit …“ (S. 219).
Mit dieser leicht geschriebenen und doch sorgsam recherchierten Einführung in den Konfuzianismus gibt Volker Zotz wichtige Einblicke in östliche Lebensweisen mit  ihren lebensanschaulichen Wurzeln.


Weitere Titel von Volker Zotz (Schwerpunkt: Buddhismus):

  • Buddha mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt.
    Reinbek b. Hamburg: rororo Monographien 1991 u.ö. 
  • Mit Buddha das Leben meistern. Reinbek b. Hamburg, rororo TB 1999.
  • Auf den glückseligen Inseln. Buddhismus in der deutschen Kultur.
    Berlin: Theseus 2000 ---
    Rezensionsnotizen (Perlentaucher): hier 
  • Konfuzius. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt (rororo TB) 2000
  • (als Hg.): Schnittstellen. Buddhistische Begegnungen mit Schamanismus und westlicher Kultur.
     Festschrift für Armin Gottmann zum 70. Geb. Luxemburg: Kairos 2013 –
    Rezension: hier
  • Festschrift für Volker Zotz zum 60. Geburtstag:
    Friedhelm Köhler / Friederike Migneco / Benedikt Maria Trappen (Hg.): Freiheit, Bewusstheit, Verantwortlichkeit. München: Habermann 2016, 417 S., Abb.
  • Vgl. auch Birgit Zotz (Hg.): Lama Anagarika Govinda. Initiation. Vorbereitung - Praxis - Wirkung.
    Luxemburg: Kairos Edition 2014, 104 S. --- Rezension: hier --- 

Reinhard Kirste

 Rz-Zotz-Konfuzianismus, 01.06.15, bearb. 07.12.16 

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