Freitag, 14. März 2014

Ursprünge und Wirkungen der Zarathustra-Religion



Harald Strohm: Die Geburt des Monotheismus im alten Iran.
Ahura Mazda und sein Prophet Zarathushtra
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Paderborn. W. Fink 2014, 400 S., 5 s/w Grafiken, 12 farbige Abb.
--- ISBN: 978-3-7705-5695-3 ---


Ausführliche Beschreibung
In diesem Buch geht der Religionswissenschaftler und Psychologe Harald Strohm (geb. 1953) der Frage nach, in wie weit sich der monotheistische Ahura Mazda der Zarathustra-Religion aus denselben oder ähnlichen Quellen entwickelte wie in Indien der vedische Gott Asura Varuna. Die vorliegende Arbeit bildet in gewisser Weise eine Fortsetzung bisher schon vorgelegter religionsgeschichtlich-psychologischer Forschungen zu Mithras und den altindischen Religionen.

Strohms durchgängiges Interesse ist, die untersuchten Göttergeschichten aus dem frühen Indien und dem antiken Iran mit der Entwicklung des Kindes von Geburt an zusammenzubringen.

Zuerst zeigt er auf, wie der Priester-Prophet Zarathustra (um 1000 v. Chr.) ein radikal neues Menschenbild entwickelte, das auch das Christentum wesentlich beeinflusste: „Zarathustra kann als der ‚Entdecker‘ des freien Willens gelten“ (S. 16), so dass jeder einzelne aufgrund seiner Entscheidung für oder gegen die neue Heilslehre die Konsequenzen zu tragen hat – Paradies oder Hölle. Drei Gesichtspunkte kommen im Zoroastrismus zusammen: Monotheismus, moralischer Dualismus und eschatologischer Historismus (S. 13f). Wieso aber sollten mythische Elemente des indo-iranischen Raumes in diese Religion eingewandert sein? Die Antwort gibt Strohm mit der Untersuchung der vedischen Quellen, die vom Göttergeschlecht der Devas mit Indra als Anführer reden, während in den Gathas bei Zarathustra die Daevas als Dämonen und Anti-Götter ins Blickfeld treten (S. 28f). So lassen sich eine Reihe von verwandten Zügen erkennen, auch die dämonischen Asuras und die Söhne der Mutter- und Himmelsgöttin Aditi (die Zwillinge Varuna und Mitra) verändern sich in ihrer mythologischen Struktur und erlauben – psychologisch gesehen – eine dualistische Kultentwicklung. Beginnend mit der frühvedischen Trias von Varuna, dem höchsten Gott, dem Aryaman und Mitra (der spätere Mithras) beigeordnet sind, zeigt sich hier die psychologische Entwicklungsparallele im Kindesalter mit den Erfahrungen von Eifersucht und Aggressivität, Weltverlorenheit und Regressivität. Hier setzt die (indische) Götter-Therapie als kosmologische Narrative an, während bei Zarathustra der Dualismus immer stärker hervortritt. Strohm erreicht nun mit seiner  mythologisch-psychologischen Hermeneutik, dass der Schöpfergott Varuna im polytheistischen Kontext und sein persisches Pendant, der monotheistische Ahura Mazda (= der Herr der Weisheit) miteinander ins Spiel kommen: 

  • Die Zwillinge der Aditi, Varuna und Mitra leben die Spannung von Licht und Dunkel aus.
    Sie wirken verändert weiter im Zoroastrismus.
  •  Ahura Mazda und der altindische Varuna stehen in großer religionsgeschichtlicher Nähe zueinander. 
  •  Ahura Mazda wird der neue monotheistische Erlösergott! (S. 99)
  •  Bei Varuna gibt es keinen ausgeprägten Dualismus, sondern Licht und Dunkel sind noch im Gott selbst vermischt
  • Varuna: Im Fortgang der Schöpfung gibt es Zerstörung, aber Heilung ist möglich.
    Dadurch wird Daseinssicherheit gewährt.
  • Die Bedeutung des Feuers zeigt sich beim indischen Agni mit reinigenden Opferfeuer und wärmenden Herdfeuer. Er ist kontinuierlicher Beschützer des Menschen.
  • Dem monotheistischen Ahura Mazda ist die Schöpfung misslungen, darum muss das Böse besiegt werden.
    Dazu bedarf es des vernichtenden Feuers (Weltende), um die neue Welt aufzubauen.

Diese dramatische Erlösungsstruktur der neuen Religion spiegelt sich auch in Zarathustras Lebenskontext. Mit Ausgrenzung und Niederlagen konfrontiert, projiziert er ein transzendentes paradiesisches Reich mit Anleihen an die vor-zoroastrischen Götter-Typisierungen. In dieses Paradies kommen jedoch nur diejenigen, die sich willentlich für das Gute und das Licht entscheiden. So zerstörte Zarathustra mit dieser Wesens-Veränderung der alten Religion all das, worauf die Vorfahren religiös gebaut hatten. Nur der finstere Gott, Ahura Mazda mit seiner auserwählten Priesterschaft, blieb übrig. Diese beanspruchte die Verfügungsgewalt über die absolute „Wahrheit“ und setzte sie missionarisch und machtpolitisch um. Damit wurde Gewalt und Krieg Teil der Religion. Das verlorene und nun exklusiv verheißene Glück, das Paradies der neuen Welt, blieb für den auserwählten Teil der Menschheit reserviert. Strom bezeichnet dies psychologisch als „Flucht zurück“ (Regression) und „Flucht nach vorn“ (Aggression) mit der Hilfe überhöhter Moralvorstellungen. Alle die sich nicht auf die Seite Zarathustras stellten, wurden zu Feinden. In der Konsequenz war damit auch das Christentum der Alten Kirche in dieses Feindbild hineingeraten. Das führte übrigens als historische Episode zur erneuten Durchsetzung eines verschärften Zoroastrismus im 6. Jh. v. Chr. durch den Magier Gaumata, die durch die „Anti-Heidenpolitik“ des Perserkönigs Darius d. Gr. ermöglicht wurde.

Der Einfluss des Zoroastrismus lässt sich übrigens bei Paulus und seinen „zwei Wegen“ zum Heil oder Unheil für den Menschen erkennen, ebenso auch in der Gnosis. Dort entwickelte sich die Hoffnung, den noch verbliebenen göttlichen Lichtfunken in der Seele des Menschen wieder gegen die bösen Mächte zum Leuchten zu bringen. 

Für den Autor ist das heiter Entspannte aus der Zarathustra-Religion verschwunden, auch wenn die heutigen Zarathustrer (Parsen) ihre Religion viel optimistischer begründen. Stattdessen – so Strohm – erklärte der Monotheos den Krieg, und zwar gegen den Eros und die Schönheit des Weiblichen, gegen die Lebensfreude, gegen die Tiere, gegen den Rausch(-Trank) und gegen die Bilder. Dies spiegelt zugleich individualpsychologische Abwehrhaltungen mit Folgen auch für die Heilslehren des Christentums: Während Jesus selbst mehr der gewissen Ungezwungenheit altindischer Götter nahekommt (z.B. den Soma-Indra-Mythen), bedient sich das spätere Christentum offensichtlich aggressiver zoroastrischer Tendenzen.

Vor uns liegt ein umfangreiches und zugleich spannendes Buch, das die psychologischen Konsequenzen oft kühn und manchmal unwahrscheinlich erscheinen lässt, eben weil der Verfasser die mythischen Veränderungen durchweg in der kindlichen Entwicklung sowohl progressiv wie regressiv abgebildet sieht. Nicht zu übersehende Konvergenzen aber laden ein, intensiv darüber nachzudenken, inwieweit und inwiefern sich kosmisch-mythische Geschehnisse psychologisch in den Lebensrhythmen zum Erwachsenwerden widerspiegeln.
Reinhard Kirste

Rz-Strohm-Iran, 14.03.14

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